Blickwechsel #3 – Raumkonstruktion

Blickwechsel #3

Im Rahmen der Serie »Blickwechsel« schreiben Kolleg:innen des DFK Paris im Duo über Wort-Bild-Paare. Die daraus entstehenden Texte können verfolgt werden über www.instagram.com/dfkparis und sind auch hier auf unserer Homepage nachzulesen.

Im dritten Beitrag von April 2025 tauschen sich Dennis Jelonnek und Julia Drost zu folgendem Wort-Bild-Paar aus:

Raumkonstruktion

Sam Szafran, Travaux préparatoires, Ende 1970er Jahre, 63 × 49 cm, Privatsammlung, in: Kat. Ausst. Sam Szafran. Obsessions d’un peintre (hg. v. Julia Drost, Sophie Eloy), Musée de l’Orangerie, Paris 2022, S. 69.
© ADAGP, Paris, 2025

Das Bild als Spielraum für Raum­konstruktionen – der Fläche einen Bild­raum ab­zu­ringen ist ein typisches An­liegen von Künstler:innen. In der Foto­grafie scheint diese Aufgabe der Apparat zu über­nehmen. Durch dessen Optik zeichnet sich ein für das mensch­liche Auge über­zeugender Raum­eindruck auf dem Bild­träger ab. So auch auf zwei Quadraten in der linken oberen Ecke einer Studie von Sam Szafran: Sie zeigen den Blick in ein Treppen­auge. Es handelt sich um Polaroids auf bräun­lichem Papier, deren typischen weißen Rand Szafran entfernt hat. Darunter befindet sich ein Bilder-Gebilde, das sich aus mehreren dieser Sofort­bilder zusammen­setzt, an- und übereinander gefügt zu einer foto­grafischen Stapelung. Die Erhöhung des so ent­standenen Reliefs erweitert die Flächig­keit des Träger­papiers subtil in den realen Raum – und vereint in sich das Schwindel­gefühl Escher’scher Raum­paradoxie mit der Düsternis von Piranesis Kerker­fantasien.

Und was geht dir angesichts dieses Wort-Bild-Paares durch den Kopf, liebe Julia?

Dein Dennis Jelonnek

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Dennis Jelonnek

Dr. Dennis Jelonnek

Forschungsleiter / Forschungschwerpunkt Medien der Kunstgeschichte
Telefon +33 (0)1 42 60 60 82

Ja, Escher und Piranesi sind bedeutende Referenzen, wenn es um Raum­konstruktionen und das Treppen­motiv in der Kunst­geschichte geht. »Man denkt nicht oft genug an die Treppen«, klagte trotzdem Georges Perec 1974 in Espèces d’espaces. Es ist, als hätte Szafran mit seiner Kunst das Gegen­teil beweisen wollen: Keiner hat Treppen in so vielen Werken in den Mittel­punkt perspektivisch seltsam verzerrter, unheimlicher Ansichten gestellt und in unzähligen Kohle­zeichnungen, Pastellen und Aquarellen immer wieder eingefangen. Die Polaroid-Collage, die Du uns zeigst, lieber Dennis, hat dabei nur eine akzessorische Rolle gespielt, im Sinne einer Konstruktions­hilfe. Wie wenig Wert Szafran den Fotos an sich bei­gemessen hat, kann man nicht zuletzt an dem Zustand der Collage ablesen. Sie wäre in einer Ecke seines riesigen Ateliers fast verrottet, hätten den Künstler nicht meine löchernden Fragen nach seiner Arbeits­weise dazu bewegt, sie hervor­zu­holen: Die Polaroids sind nichts als ein Zwischen­schritt zur Konstruktion des Treppen­raums in einer nicht euklidischen Perspektive.

Danke, lieber Dennis, für diesen Blickwechsel!

Deine Julia Drost

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Dr. Julia Drost

Dr. Julia Drost

Forschungsleiterin / Verantwortlich für Förderprogramme
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