Blickwechsel #4 – Konstruktionsmaschinen

Blickwechsel #4

Im Rahmen der Serie »Blickwechsel« schreiben Kolleg:innen des DFK Paris im Duo über Wort-Bild-Paare. Die daraus entstehenden Texte können verfolgt werden über www.instagram.com/dfkparis und sind auch hier auf unserer Homepage nachzulesen.

Im vierten Beitrag von Mai 2025 tauschen sich Julia Drost und János Hübschmann zu folgendem Wort-Bild-Paar aus:

Konstruktionsmaschinen

Max Ernst, Selbstkonstruiertes Maschinchen, 1919, Bleistiftdurchreibung von Druckstöcken und Lettern, Klischeedruck mit Feder und Tusche, 46 × 30,5 cm, Privatsammlung. © ADAGP, Paris, 2025

Im Rahmen unseres Blickwechsels frage ich mich beim Verlassen von Szafrans fantastisch-verzerrten Treppenhäusern, wie das Nachdenken über Konstruktionen (lat. constructio = Zusammen­fügung, Bau) und ihre Bedeutung der Kunst immer wieder neue Wege gewiesen hat. Mir kommt das Selbst­konstruierte Maschinchen in den Sinn, das Max Ernst 1919 als Bleistift­durchreibung von Druck­stöcken und Lettern entworfen hat. Dadamax Ernst nimmt mechanisierte Druck­maschinen zum Ausgangs­punkt für eine spielerische Auseinander­setzung mit den Apparaten der modernen Industrie­gesellschaft. Im begleitenden Text heißt es: »selbst­konstruiertes maschinchen in diesem verrührt er meer­salat leit­artikel leid­tragende und eisen­samen in zylindern aus bestem mutter­korn sodaß vorne die entwickelung und rück­wärts die anatomie zu sehen ist der preis stellt sich dann um vier mark höher«. Im Wechsel­spiel folgen Text und Bild ähnlichen Verfahrens­weisen und werfen sämtliche Regeln der Konstruktion von Gegen­ständen und Sprache über Bord. 

Und was geht Dir angesichts dieses Wort-Bild-Paares zu dada­istischen Konstruktions­maschinen durch den Kopf, lieber János?

Deine Julia Drost

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Dr. Julia Drost

Dr. Julia Drost

Forschungsleiterin / Verantwortlich für Förderprogramme
Telefon +33 (0)1 42 60 67 97

Die automatisierte, sich selbst entwerfende Konstruktions­maschine von Ernst stellt die Sprach- und Technikwelt tatsächlich auf den Kopf; eben auf eine spielerisch-infantile Art und Weise, um sprach­liche Normierung als Exempel der rationalisierten Welt zu dekonstruieren. Von seinen dunklen Bild­universen oder dem irreversiblen Eingriff der mechanisierten Welt in das graue Menschen­leben im Gemälde Frau, Greis und Blume (1924), das eine vor dem weiten Ozean stehende Blume als Rohren­apparat perspektiviert, ist in Selbstkonstruiertes Maschinchen wenig zu spüren. Es scheint, als wäre für den Dadamax Ernst die Welt um 1919 noch nicht unter­gegangen oder zumindest noch nicht der monster­artigen Zuspitzung der politisch-militärischen Konflikte gänzlich ausgeliefert. Immerhin ist es noch ein Spiel. 

Danke, liebe Julia, für diesen Blickwechsel!

Dein János Hübschmann

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