Blickwechsel #5 – Maschinenmensch
Blickwechsel #5
Im Rahmen der Serie »Blickwechsel« schreiben Kolleg:innen des DFK Paris im Duo über Wort-Bild-Paare. Die daraus entstehenden Texte können verfolgt werden über www.instagram.com/dfkparis und sind auch hier auf unserer Homepage nachzulesen.
Im vierten Beitrag von Juni 2025 tauschen sich János Hübschmann und Markus Castor zu folgendem Wort-Bild-Paar aus:
Maschinenmensch
Bruno Taut, Glashaus, Detail: Kuppel im Inneren, 1914, Köln, Deutz, Deutsche Werkbund-Ausstellung. Foto: unbekannt, Aufnahmedatum: um&nsbp;1920/1969?, Bildarchiv Foto Marburg, Fotokonvolut: Archiv Dr. Frank Stoedtner, www.bildindex.de/document/obj22024410
Von der Konstruktionsmaschine ausgehend stelle ich mir die Frage nach der Materialität des maschinell-modernen Zeitalters, das gleichsam den Maschinenmenschen – ein Begriff aus Eichendorffs »Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands« (1857) – zu konstituieren versucht. Bruno Tauts »Glashaus« von 1914 liefert die unmissverständliche Antwort. Nach Walter Benjamin sei das Glas »der Feind des Geheimnisses«, da es keinerlei auratische Eigenschaften aufweise. Wie das Glas für Benjamin nichts anderes als ein unterkühltes, die Spuren menschlicher Erfahrung negierendes Material ist, so entspricht der Maschinenmensch ebenso einer kargen vegetierenden Glas-Heide. Ein Typus Mensch, den bereits Eichendorff zu bekämpfen und Benjamin als ein kulturell verarmtes Wesen die Klippe herunterzuwerfen gedachte.
Und was geht dir angesichts dieses Wort-Bild-Paares durch den Kopf, lieber Markus?
Dein János Hübschmann
Mensch, János! Mit nur einem Wortpaar stürzt Du mich ins Universum zentraler Fragen des Lebens. Als Dixhuitièmiste läßt mich Dein Begriff fast schon auto-matisch an La Mettries »Homme machine« denken, an Automatenmenschen und an animierte Drachen. Benjamin sah in solchen Automaten theologische Elemente in der »Theoriemaschine« des Materialismus. Mit Tauts prismatischem Kuppelwerk repetierter Geometrien stellt das die historische Distanz zwischen Aufklärung (und ihrem Nachdenken über die innere Verfassung des Menschen) und industrialisierter Massengesellschaft (geprägt durch äußere, soziopolitische Umstände) hervor. Etwas greifbarer wird die Verbindung mit Sicht aufs Glas. Zwischen der Manufaktur, die als Gewinn von Spionage das Glas der »Machine« Versailles und seiner Galerie fabrizierte – damit es seine wundersame Wirkung für den disziplinierten Hofstaat entfaltet, der sich hier selbst erblickt – und der seriellen Produktionsstraße des frühen 20. Jahrhunderts liegen Welten, doch konfiguriert beides uns (das »Auto« und seine Gesichte). All das kann der Reflexion auf selten klare Spiegelbilder dienen und erzählt vom vorherrschenden Menschenbild der Zeit. So fahren wir Ford…
Danke, lieber János, für diesen Blickwechsel!
Dein Markus Castor